Mit der Übergabe unserer Petition wollen wir die neue Regierung dazu anhalten, wirkungsvolle Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung zu ergreifen. Wir, Caro und Franzi, waren wegen Containern angeklagt und haben uns damit an die Öffentlichkeit gewandt. Nach zwei Jahren zurück im Geschehen müssen wir kritisieren, dass sich auf politischer Ebene nichts verändert hat. Weiterhin müssen sich Menschen wegen der Entnahme von Lebensmitteln aus der Mülltonne vor Gericht verantworten. Zuletzt haben wir vor dem Bundesverfassungsgericht für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen geklagt.
Umso deprimierender ist es, wieder zurückzukehren und alles wie gehabt vorzufinden: 18 Millionen Tonnen Lebensmittel dort, wo sie nicht hingehören – und zwar im Müll. Trotz des selbst gesetzten Ziels der Halbierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030 hat sich auf politischer Ebene nichts Nennenswertes bewegt. Was sich jedoch bewegt hat, ist die Gesellschaft. Allein 80% der deutschen Bevölkerung sprechen sich für eine Legalisierung des Containerns aus[1]. Und auch unsere Petition[2], mit der wir sowohl eine Entkriminalisierung des Containerns, als auch einen Wegwerfstopp für Supermärkte fordern, zählt mittlerweile über 180.000 Unterschriften. Mit der Übergabe der Petition möchten wir den zuständigen Ernährungsminister Cem Özdemir und Justizminister Marco Buschmann nun endlich auch zum Handeln zu bewegen. Für den 2. Mai, den Tag der Lebensmittelverschwendung, haben wir bedauerlicherweise eine Absage erhalten.
Wir sehen derzeit nicht, dass sich die Politik unserer globalen Verantwortung stellt – wäre sonst nicht der 2. Mai im Kalender der Ministerien rot markiert? Dieser Tag, der vom WWF symbolisch festgesetzt wurde, führt uns vor Augen, wie viel wir eigentlich im Jahr verschwenden. Ein Drittel unserer Lebensmittel – das ist so viel, wie wir bis zum 2. Mai produziert haben – werfen wir über das Jahr verteilt weg. Mit für die Tonne waren damit alle Ressourcen, die zu deren Herstellung aufgewendet wurden. Wir gefährden damit grundlos die Voraussetzungen unserer zukünftigen Generationen und wir werfen Essen weg, während weltweit Menschen in der Sorge leben, wann sie ihre nächste Mahlzeit zu sich nehmen können. Doch wird weiterhin so getan, als könnten wir es uns „leisten“, ein Drittel unserer Lebensmittel wegzuwerfen. Voller Scham sehen wir uns dem 2. Mai gegenüber – sollte er nicht schon längst der 2. März sein?
Gerade nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung an die Politik verwies und die Möglichkeit zur Umsetzung unserer Forderungen per Gesetzt aufzeigte, macht uns die Unbeweglichkeit der Politik wütend. Das einmal mehr vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen: Lebensmittel werden teurer und immer mehr Menschen sind auf die Versorgung außerhalb des Supermarktes angewiesen. Wer nicht selbst aktiv werden möchte oder kann, um eine Kooperation als Foodsharer:in mit dem Supermarkt anzustreben, der ist auf die ehrenamtlichen Helfer:innen der Tafel angewiesen. Denn wer ungefragt Lebensmittel aus der Mülltonne verwenden möchte, läuft immer noch Gefahr, kriminalisiert zu werden. Das zeigt der aktuelle Container-Fall aus Lahnstein bei Koblenz. Dort sind zwei Menschen wegen Hausfriedensbruch angeklagt. Der Prozess vor dem Lahnsteiner Amtsgericht[3], der am 28. April fortgesetzt wird, verweist auf den Missstand, dass Lebensmittel vor ihrer Verwendung bewahrt werden. Statt unsere natürlichen Lebensgrundlagen in den Vordergrund zu stellen, haben sich sogar die Zäune erhöht und das Eigentum an Lebensmittelmüll wird weiterhin geschützt. Haben wir als Gesellschaft nicht bereits anders über die Kriminalisierung des Containerns geurteilt? Ein Anstoß zu gesetzlichen Veränderungen – und damit der Grundstein zur Reduzierung von Lebensmittelmüll – ist bereits gesetzt.
Eine Verschwendung konnten wir uns noch nie „leisten“, doch besonders heute wird deutlich, dass sich unser Umgang mit Lebensmitteln verändern muss. Dass Ressourcen in Zeiten des Klimawandels zur „Produktion von Müll“ aufgewendet werden, ist ein großer Irrsinn. Unsere Zukunft und die der folgenden Generationen hängt maßgeblich von unserem jetzigen Handeln ab. Sehen wir uns großen Herausforderungen gegenüber, wirkt doch die Umsetzung unserer Forderungen als einfach und naheliegend – zu vermeiden oder das auszukosten, was schon da ist. So wollen wir uns nicht zufriedengeben, mit unserem 180.000 Unterschriften schweren Anliegen an der Pforte der Ministerien stehen zu bleiben. Stattdessen haben wir uns dazu entschieden, die Petition im Rahmen der Herbstministerkonferenzen zu überreichen – in der Hoffnung, die Unterschriften nicht nur bei den Akten hinterlegt zu wissen und den Ministern dort persönlich gegenüber treten zu können.
Der Containerprozess in Lahnstein findet am 28. April (12Uhr) statt. Wie und wann eine Petitionsübergabe an Cem Özdemir anlässlich der Agrarministerkonferenz (14. bis 16. September in Quedlinburg) und an Marco Buschmann während der Justizministerkonferenz (10. November in Berlin) stattfinden wird, darüber werden wir euch noch frühzeitig informieren.
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1126022/umfrage/legalisierung-von-containern-in-deutschland/
[2] https://weact.campact.de/petitions/containern-ist-kein-verbrechen-1
[3] https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/koblenz-prozess-containern-lebensmittel-retten-zwei-studenten-angeklagt-100.html